Nach zwei schwierigen Wintersaisons mit erheblichen Umsatzeinbussen setzt die Bergbahnen Sörenberg AG mit Verwaltungsratspräsident Theo Schnider neue Akzente und beweist Mut zur Lücke sowie den Willen, das Unternehmen noch viel stärker in der Region zu verankern.
Das Unternehmen befindet sich mitten in einer Neuausrichtung. Nach zwei schlechten Wintern setzt die Führung künftig ihre Akzente noch gezielter auf das Sommergeschäft. Unter dem Motto «Kräfte bündeln» haben der Verwaltungsrat und die Geschäftsleitung der Bergbahnen Sörenberg AG das Projekt «New Horizon» vorgestellt. Es geht um eine Strategieanpassung: Neuausrichtung Winterbetrieb, Konzeptänderungen in den fünf eigenen Gastrobetrieben und zudem Rückkehr zum Fixpreismodell.
SBS: Du hast bereits an der Generalversammlung im Herbst 2023 davor gewarnt, dass ein erneuter schlechter Winter die Bergbahnen in finanzielle Schwierigkeiten bringen könne. Genau das ist eingetroffen (22% weniger Ersteintritte im 5-Jahresschnitt und ein Verlust von CHF 2.4 Mio. in der letzten Wintersaison). Ihr werdet daher drei unrentable Skilifte nicht mehr in Betrieb nehmen. Das stösst meistens nicht nur auf Begeisterung. Wie ist es euch gelungen, diesen mutigen Entscheid zu kommunizieren?
Theo Schnider: Richtig, Begeisterungsstürme lösen solche Massnahmen nicht aus. Es ist wichtig, dass solche einschneidenden, unpopulären Entscheide nachvollziehbar sind, dass man Betroffene ernst nimmt, ihnen Achtung und viel Zeit schenkt und im Krisenmodus kommuniziert. Das heisst, unaufgeregt, klar, offen, ehrlich und doch bestimmt. Und es braucht Perspektiven, Lust auf Zukunft. Denn der dauernde Blick nach hinten versperrt einem nur die Aussicht nach vorn.
Ein Unternehmen nach dem Prinzip Hoffnung zu führen, (nach zwei miserablen Wintern kommt dann schon wieder ein guter Winter), wäre unverantwortlich und eine Fahrt mit Vollgas an die Wand.
Jede konstruktive Veränderung beginnt mit Akzeptanz. Und Akzeptanz heisst auch nicht, dass alle Betroffenen gleicher Meinung sein müssen. Akzeptanz heisst, die Situation anzunehmen und daraus neue Energie zu mobilisieren. Nach dem Motto «es ist wie es ist», machen wir das Beste daraus. Akzeptanz ist Bestandteil eines gesunden Umgangs mit Schwierigkeiten. Wer sich nur an der Vergangenheit orientiert, verpasst die Zukunft. Und wir wissen alle, Veränderungen tun weh. Aber nicht so weh, wie dort zu bleiben, wo man nicht hingehört.
Es wird in solchen Phasen immer Menschen geben, die alles besser wissen. Oft sind dies reine Energiefresser. Umso wichtiger ist es, das Ziel nicht aus den Augen zu verlieren. Meine feste Überzeugung: Ich kann auch in scheinbar aussichtslosen Momenten sehr wohl etwas bewegen. Der unerschütterliche Wille, der macht’s aus.
Die Behörden in Bern werden bald auf der Matte stehen und den Rückbau der Anlagen einfordern. Was sind eure mittelfristigen Pläne dazu?
Die Anlagen werden nicht komplett stillgelegt, sondern im Moment aus dem Winterbetrieb genommen. Unterhaltsarbeiten werden vorschriftsgemäss durchgeführt. Wir dürfen nichts überstützen und müssen mögliche Optionen offenhalten. Dass man mittel bis langfristig keine Ruinen und Denkmäler in der Natur will, ist auch für uns klar.
Im Juli 2024 war Einweihung Rothorn Retrofit – Top of Biosphäre: Autonomer Betrieb mit Solaranlage auf dem Dach, Barrierefreiheit. Ihr setzt dabei auf Ästhetik – Funktionalität – Nachhaltigkeit. Weg vom «Einheitsbrei» und der Uniformität, hin zum besonderen, einmaligen Erlebnis (Biosphären-Forum). Kannst du das etwas ausführen?
Das ist schon sehr gut zusammengefasst. Das Brienzer Rothorn mit seinem atemberaubenden 693-Berggipfel-Panorama ist der höchste Punkt in der UNESCO Biosphäre Entlebuch. Da wo der Blick sich weitet, der Geist sich öffnet, die Gedanken fliegen und der Horizont sich vergrössert. Was bietet sich besser an, als der höchste Luzerner Berg, um einen Blick über seinen eigenen Tellerrand hinaus zu wagen?
Mit der eindrücklichen Geschichte und der anspruchsvollen Idee der Biosphäre Entlebuch bekommt der höchste Luzerner Berg seine Einzigartigkeit. Unterstrichen wird die Positionierung mit der Bezeichnung «Rothorn – Top of Biosphäre». Dieses Alleinstellungsmerkmal ist wichtig, denn es gibt im Alpenraum über 20 Rothorns.
Wir möchten mit der Inszenierung «Lebensraum Biosphäre» dem Thema Nachhaltigkeit, Zukunftsverantwortung schrittweise ein Zuhause geben. Diesem Anspruch wurde schon beim Bau der Rothornbahn grosse Beachtung geschenkt.
Sich für die Ausbauvariante «Retrofit» zu entscheiden, also möglichst viel Bausubstanz und bestehendes Wissen mit einfliessen zu lassen, war absolut richtig und hat sich gelohnt. Die Bahn überzeugt mit der architektonisch sehr gelungenen Renovation der Tal- und Bergstation, mit den imposanten CWA Kabinen der modernen Technologie der Firma Garaventa und dem einladenden Gipfelrestaurant. Mit der Inszenierung zum Thema Nachhaltigkeit / Zukunftsverantwortung am Beispiel der UNESCO Biosphäre Entlebuch bekommt das Ausflugsziel auf 2350 m ü.M. wie bereits erwähnt, ein unverwechselbares Profil. Verstärkt wird dieser Auftritt mit dem einzigartigen Forum unter der Terrasse, in welchem mit einem emotionalen, berührenden Film die Botschaft der Nachhaltigkeit und somit die Kompetenz der Region Entlebuch ins beste Licht gerückt wird.
Es sind ja drei Kantone involviert am Rothorn, die Terrasse ist z.B. auf Berner Boden. Ist dies ein Vorteil oder Hindernis? Wie geht ihr das an?
Der Gast kümmert sich nicht um Kantonsgrenzen, das Erlebnis zählt. Folglich müssen auch wir als Gastgeber ständig Grenzen sprengen, offen sein und Neues wagen. Wir haben ein sehr unverkrampftes, gutes Verhältnis über die Kantonsgrenzen hinaus. So bewirtschaften wir im Eiseegebiet eine Bergrestaurant auf Obwaldnerboden und im Gipfelrestaurant Rothorn zählt die Terrasse zum Kanton Bern. Mit einem Entlebucher Kaffee auf der Berner Terrasse, sehen die eindrücklichen Berner Berge noch viel imposanter aus (lacht) Für unseren Tourismuspartner Brienz Rothorn Bahn transportieren wir auch Güter für ihr Berner Hotel. So gibt es bei uns kantonsübergreifende, gemeinsame Events bis hin zu kulinarischen Angeboten. Auch hier muss man in Chancen denken und nicht in Problemwelten.
Gleichzeitig habt ihr beschlossen, zu den Fixpreisen zurückzukehren und ihr gebt in finanziell schwierigen Zeiten den Kindern bis 8 Jahren gratis Tickets und verbilligt auch jene für U20-jährige. Könnt ihr euch das überhaupt leisten?
Wir sind eines der attraktivsten Familiendestinationen der Schweiz. Besonders Familien mit Kindern gehören zu unserer primären Zielgruppe. Da gilt es konkurrenzfähig zu sein und als einer der Leader Signale zu setzen. Die Gästegruppe U20 hat bei uns grosses Ausbaupotential, dieses wollen wir gezielt angehen.
Warum hat das mit Dynamic Pricing aus deiner Sicht nicht funktioniert?
Da spielen vielschichtige Gründe, allgemeine und spezifische. Damit dynamische Preismodelle ihre Wirkung voll entfalten können, wie zum Beispiel eine gleichmässigere Auslastung, muss eine gewisse Knappheit vorhanden sein. Im Gegensatz zu Flugzeugen gibt es in Skigebieten nur eine relative Knappheit. Es ist selten bis nie ganz voll. Bei schlechten Wintern erst recht.
Mit dynamischen Preisen lagern wir das Wetterrisiko an die Frühbucher aus. Offensichtlich ist eine gewisse Kundschaft bereit, dieses Risiko zu tragen. Aber sie verlangt zu Recht eine Schneegarantie. Schneesicherheit ist ein entscheidender Faktor. Diese Garantie können wir, obwohl wir dank der technischen Beschneiung als sehr schneesicher gelten, in der klimatisch herausfordernden Zukunft schlicht nicht überall und konstant bieten.
Und vielleicht waren wir einfach etwas zu früh mit der Einführung. Das Auf und Ab der Preise führte bei unseren Kunden trotz breiter Information für Unsicherheit. Unser Publikum lehnt das schnelle Ändern von Produktpreisen eher ab. Stark variierende Preise führten bei uns dazu, dass der Kunde zurückhaltend wird. Familien mit Kindern schätzen eine hohe Flexibilität bei der Wahl des Skitages. In einem ausgeprägten Tagestourismusgebiet wie Sörenberg, ist dem Rechnung zu tragen. So gesehen gilt es sich mit dem Markt zu bewegen und auch bereit zu sein, im Sinne der Kundenzufriedenheit Korrekturen vorzunehmen. Dynamische Preise sind bei unseren Gästen kulturell eher fremd. Das mag in anderen Destinationen anders sein. Hätten wir diesen Schritt nicht gemacht, wir würden heute weniger über unseren Kunden und Kundinnen und ihr Verhalten wissen.
Ich glaube, Dynamik Pricing darf den Preis nicht zum zentralen Verkaufsargument machen. Qualität und Service sind in meinen Augen immer noch ein Stück weit zentraler.
Gleichzeitig habt ihr internationale Preise eingeheimst: Theo Schnider «Ehrenpreis Lebenswerk». Wie fühlt sich das an? Verändert dies deinen Schaffensdrang?
Ja, wie fühlt man sich? Würde sagen «ausgezeichnet!». Eine Anerkennung ist immer etwas Schönes. Aber man muss sich darauf nichts einbilden. Ich arbeite nun schon nahezu 50 Jahre im Tourismus und das mit Hingabe und Leidenschaft. Mein Ziel sind nicht Preise und Pokale, sondern glückliche, zufriedene Menschen. Gelingt mir das, bin auch ich zufrieden.
Auch im Bereich Nachhaltigkeit haben die Bergbahnen Sörenberg AG prestigeträchtige Auszeichnungen erhalten. SBS hat seit einem Jahr ein Programm zur Nachhaltigkeit lanciert mit diversen Projekten. Welche Art von Unterstützung erhofft ihr euch vom Verband? Was braucht ihr?
SBS macht das sehr gut. Der Verband informiert, motiviert, klärt ab, bereitet auf, schafft Grundlagen, sucht Branchenlösungen und stösst an. Das ist schon äusserst wertvoll und entlastet die Koordinations- und Grundlagenarbeit an der Basis.
Nachhaltigkeit kann man aber weder delegieren noch verordnen. Man muss selbst wollen und umsetzen. Sonst verkommt die Forderung nach NNachhaltigkeit zur schöngeistigen Übung und bringt nichts. Ich bin immer mehr überzeugt, dass bei fehlendem Gemeinschaftssinn und bröckelnder Solidarität Nachhaltigkeit nicht wirklich Fuss fassen kann. Darum ist es so wichtig, dass SBS die Branche zusammenhält und stärkt.
Der Ball liegt aber bei jeder einzelnen Person. Es muss uns in unserem eigenen Interesse immer wieder gelingen, die unterschiedlichen, teils auch widersprüchlichen Erwartungen, Vorstellungen und Wünsche der Gesellschaft, der Umwelt und der Wirtschaft in einer Art fairen Kompromiss unter einen Hut zu bringen. Nachhaltigkeit ist ein offener, gesellschaftlicher Such-, Lern- und Gestaltungsprozess. Die Auseinandersetzung mit der Zukunft und das Schliessen von intelligenten Kompromissen muss Spass machen. Es liegt an uns, wir müssen uns bewegen, wir müssen Freude an Nachhaltigkeit und auch die Lust auf Zukunft entdecken.
René Koller ist noch bis Ende Juni 2025 Geschäftsführer der Bergbahnen Sörenberg AG. Welche Qualitäten braucht sein:e Nachfolger:in?
René hinterlässt mit seinem breiten Engagement in der Seilbahnbranche grosse Fussstapfen. Aber sein:e Nachfolger:in soll sich ja nicht in seinen Fussstapfen bewegen, denn so kann man den Vorgänger gar nicht überholen (lacht).
Die Bergbahnen Sörenberg AG ist eines der führenden Bergbahnunternehmen der Zentralschweiz. Das Unternehmen umfasst neben verschiedenen Bahnen und Skiliften auch eigene Gastronomiebetriebe und ist der vitale Motor für den Tourismus und die regionale Wirtschaft. Wir suchen eine führungsstarke, engagierte, begeisterungsfähige, sympathische, glaubwürdige und loyale Persönlichkeit. Unternehmerisches Denken und Handeln, Biss, Herzblut, Macherqualitäten, emotionale Stabilität und ein gutes Gespür für Menschen und ihre Anliegen und Erfahrung resp. Freude an Veränderungsprozessen sind zentral. Eine ungemein spannende Aufgabe!
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