
Die Schneesportlager sind im Aufwind: Erstens gibt es ein erfreuliches Wachstum von 10% bei den Anmeldungen der Lager, zweitens zeigen neue Berechnungen, dass eine Woche Schneesportlager weniger CO2 verursacht als eine Schulwoche zu Hause. Warum das so ist und welche Faktoren eine Rolle spielen, erklärt Ole Rauch von der Schneesportinitiative Schweiz im Interview.
SBS: Der Verein Schneesportinitiative Schweiz wurde vor gut 10 Jahren gegründet, wird auch von Seilbahnen Schweiz unterstützt und verfolgt das Ziel, vor allem Kinder und Jugendliche wieder vermehrt zum Schneesport zu animieren. Mit welchen Massnahmen verfolgt ihr dieses Ziel?
Ole Rauch: Wir machen das vor allem via Schulen. Jedes Kind geht zur Schule und wenn wir es wieder schaffen, dass Schneesport flächendeckend in jeder Schule praktiziert wird, haben wir eine gute Basis gelegt. Ganz konkret bieten wir Schulen auf der Plattform GoSnow.ch fix-fertig organisierte Schneesportlager an. Hin- und Rückreise mit dem ÖV, Mietmaterial für die Kinder ohne eigenes Material, eine Unterkunft von Montag bis Freitag, Bergbahntickets und ein Abendevent vor Ort. Alles inklusive und mit wenigen Klicks buchbar.
Nach der Pandemie konntet ihr im Winter 22/23 mit 376 Lagern und fast 16’800 Teilnehmenden einen Rekord feiern. Wie sieht es in diesem Jahr aus? Zeigt die Kurve weiterhin nach oben?
Ja, nachdem wir im letzten Winter dieses hohe Niveau halten konnten, verzeichnen wir in diesem Winter sogar wieder einen Anstieg. Fast 400 Lager mit über 18'000 Teilnehmenden. Das sind wieder über 10% Wachstum.

Seit 2023 ist Fränzi Aufdenblatten Vereinspräsidentin. Wie hat sich der Führungswechsel ausgewirkt?
Unter Fränzis Führung hat der Vereinsvorstand im letzten Jahr die Strategie überarbeitet und neue Ziele gesetzt. Wir verfolgen weiterhin mit Vehemenz das Ziel, allen Schulkindern in der Schweiz den Schneesport näher zu bringen – gerade auch aus Gründen der Nachhaltigkeit. Schneesportlager wirken in allen Dimensionen der Nachhaltigkeit sehr positiv. Hier wollen wir zukünftig noch besser Aufzeigen, dass Schneesportaktivitäten sich sehr positiv auf die psychische Gesundheit auswirken. Fränzi hat zahlreiche gute Ideen und Inputs eingebracht, um solche Akzente zu setzten.
Apropos Nachhaltigkeit: Eine Berechnung hat aufgezeigt, dass der CO2-Ausstoss eines Schneesportlagers massiv kleiner ist als angenommen. Wie wurde dies berechnet und welches sind die Einflussfaktoren, welche zu diesem Resultat geführt haben?
Wir wollten schon seit einiger Zeit wissen, wie sich der CO2-Ausstoss von einem Schneesportlager im Vergleich zu einer «normalen» Schulwoche verhält. Es ging uns vor allem darum, faktenbasierte Grundlagen zu schaffen. Im Bereich des ökologischen Fussabdrucks ist viel Halbwissen vorhanden, resp. es ist für Herr und Frau Schweizer schwierig einzuschätzen, welches Verhalten oder welche Aktivitäten welchen Einfluss auf den ökologischen Fussabdruck haben. Das wollten wir selbst wissen und haben dies von der Stiftung myclimate berechnen lassen. Dabei konnte myclimate auf einige vorhandene Studien und Berechnungen zurückgreifen und hat dies mit anderem Datenmaterial und eigenen Berechnungen ergänzt. Das Ergebnis hat uns dann doch überrascht. Wir hatten angenommen, dass der CO2-Ausstoss in einem Schneesportlager nur leicht höher ist als daheim …. Aber daheim ist der CO2-Ausstoss höher als im Schneesportlager und das doch deutlich!
Die beiden mit Abstand grössten Einflussfaktoren sind die Wohnsituation und die Verpflegung. Die sind für 78% - 86% des CO2 Ausstosses innerhalb einer Woche verantwortlich. Einfach gesagt: Daheim warme Mahlzeiten über Mittag und ein Einzelzimmer versus einem 8er-Schlag und Lunchpäckli im Schneesportlager.
Es ist bekannt, dass die Anreise in ein Skigebiet den grössten Anteil des CO2 Ausstosses ausmacht. Welchen Anteil macht dies bei Schneesportlagern aus?
Innerhalb eines Schneesportlagers ist der Einfluss der An- und Abreise kleiner und ausserdem fahren immer mehr Schulen mit dem ÖV ins Schneesportlager. Dadurch beträgt der Anteil des Transports am CO2-Ausstoss innerhalb des Schneesportlagers nur 7.3%.
Welche anderen Aspekte wurden in der Studie untersucht und gab es weitere unerwartete Resultate?
Die Berechnung von myclimate wurden nach dem «Cradel-to-Grave» Ansatz gemacht. Das heisst, dass alle Aktivitäten und Produkte mit ihrem gesamten Lebenszyklus erfasst werden. Ansonsten wurden neben dem Schneesport natürlich auch noch die weiteren Freizeitaktivitäten einberechnet. Auch hier hat das Schneesportlager positive Aspekte gegenüber der Woche daheim – der Stromkonsum sinkt, da die Gaming und Handyzeit in einem Lager deutlich kleiner ist als daheim.
Das mit den Berechnungen ist ja immer so eine Sache: es liegen viele Daten vor, aber man muss entscheiden, welche man verwendet. Bei welchen Faktoren musste bei der Berechnung ein besonderes Augenmerk gelegt werden?
Es gibt natürlich gewisse Unsicherheiten und Schwankungen in diesen Berechnungen. Wenn ein Schulkind sich daheim ein Zimmer mit dem Bruder oder der Schwester teilt und das Gebäude super isoliert ist, zudem Dach und Fassade mit Solarpanelen ausgestattet sind, dann ist der CO2 Ausstoss dieses Kindes während der Woche daheim tiefer. Wenn auf der anderen Seite das Gruppenhaus zwar 4er-Zimmer anbietet, aber eben schlecht isoliert ist und mit einer alten Ölheizung heizt, dann verschlechtert sich der ökologische Fussabdruck im Lager. Die Berechnungen gehen schlussendlich von einem Durchschnitt aus.
Uns geht es bei dieser Gegenüberstellung nicht darum zu sagen: «Macht nur noch Schneesportlager, sie sind besser für die Umwelt als daheimbleiben.» Sondern viel mehr darum aufzuzeigen, dass der Schneesport keine CO2-Schleuder ist. Und es heisst auch nicht, dass wir uns punkto CO2-Ausstosses nicht noch verbessern können.
Du hast kürzlich dein 10-jähriges Jubiläum bei der Schneesportinitiative Schweiz gefeiert. Was sind deine persönlichen Highlights aus dieser Zeit und auf welche anstehenden Projekte freust du dich?
Ich liebe die Vielseitigkeit und Freiheit in meinem Job und habe daher täglich kleine Highlights. Wir haben als Verein früh schon eine Milestone-Auszeichnung für Innovation im Tourismus erhalten, das war toll und hat dabei aber auch gleich wieder Druck aufgesetzt, diese (Vorschuss-) Lorbeeren auch zu verdienen. Mittlerweile haben wir uns diese frühe Anerkennung verdient.
Wir durften unseren Verein und unsere Idee aber auch schon bei zwei Bundesräten:innen vorstellen. Erst bei Guy Parmelin als er noch dem VBS vorstand und dann auch bei seiner Nachfolgerin Viola Amherd. Das zeigt, wie wichtig und breit abgestützt der Verein ist und welche Wertschätzung er erfährt. Ich bin gespannt, ob wir auch beim neuen Sportminister vorstellig werden dürfen.
Die schönsten Momente sind aber die, wenn ich selbst an einem Schulschneesporttag oder in einem Schneesportlager strahlende Kinderaugen sehe und mit glücklichen Lehrpersonen sprechen kann. Das ist für mich Sinnhaftigkeit pur.
