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Was passiert, wenn ein Gast während einer Trottinettfahrt verunfallt und das Unternehmen auf Schadenersatz und Schmerzensgeld verklagt? Anhand eines Urteils des Bundesgerichtes wird aufgezeigt, welche Massnahmen für den Schutz der Gäste und die Schadloshaltung des Unternehmens zwingend notwendig sind. Das Gütesiegel «geprüfter Sommerbetrieb» und die Ausbildung des Personals tragen zu einem sicheren Betrieb von Sommeraktivitäten bei.
Stellen Sie sich folgendes vor: Ein Unternehmen betreibt mehrere Abfahrtsrouten für Trottinettes. An einem Sommertag mieten zwei Feriengäste bei der Betreiberin je ein Trottinett. Beim Befahren einer Route stürzt ein Feriengast auf der Strasse und erleidet schwere Verletzungen, unter anderem eine instabile doppelte vordere und Beckenringfraktur sowie eine Fraktur der Rippen, was eine stationäre Behandlung notwendig macht.
Das Opfer macht einen Schadenersatz von über CHF 80'000 und ein Schmerzensgeld von über CHF 70'000 gegen die Betreiberin geltend. Erstinstanzlich wird die Schadenersatzklage abgelehnt. Dem Opfer werden Gerichtskosten in der Höhe von über CHF 15’000 auferlegt, und es wird zur Bezahlung einer Parteientschädigung von über CHF 40'000 an die Betreiberin verurteilt. Das Obergericht bestätigt das Urteil der ersten Instanz, genauso wie das Bundesgericht.
Wie das Bundesgericht das Urteil begründet
Das Bundesgericht ist zum Schluss gekommen, dass keine stichhaltigen Hinweise für eine Ungeeignetheit des Trottinetts bestehen. Das vermietete Trottinett ist auch für Naturstrassen geeignet, und weist keine Schwachpunkte auf. Es entspricht den Trottinettes, wie sie fast überall in der Schweiz zum Einsatz kommen.
Trottinettes gelten als fahrzeugähnliche Geräte. Auf der Fahrbahn von Nebenstrassen dürfen sie nur benützt werden, wenn entlang der Strasse Trottoirs fehlen. Die Sturzstelle ist im konkreten Fall auf einer Nebenstrasse, wo ein Trottoir vorhanden ist, so dass der Gast die Fahrbahn nicht hätte befahren dürfen. Das Befahren der Fahrbahn ist an dieser Stelle verboten, und die Nebenstrasse ist durch die Ortstafel auf einem weissen Grund eindeutig erkennbar. Der ausländische Feriengast hat zwar geltend gemacht, dass er als Auswärtiger die schweizerischen Bestimmungen nicht kennt, aber das Bundesgericht hat festgehalten, dass von einem Erwachsenen erwartet werden kann, dass er sich über die geltenden Regelungen erkundigt.
In diesem Zusammenhang weist das Bundesgericht darauf hin, dass sich das Opfer im Rahmen des von ihm unterzeichneten Mietvertrages für das Trottinett zur Einhaltung der schweizerischen gesetzlichen Strassenverkehrsbestimmungen verpflichtet hat.
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Wichtige Punkte, welche Betreiber aus diesem Fall berücksichtigen müssen
Grundsätzlich gilt für Betreiber, dass das Trottinett für die entsprechenden Strecken geeignet sein muss und in einwandfreiem Zustand ist, insbesondere die Bremsen. Seine Funktionstüchtigkeit ist somit jeweils vor der Vermietung zu prüfen und allfällige festgestellte Mängel sind umgehend zu beheben.
Das Unternehmen hat Rahmenbedingungen zu schaffen, die es allen Benutzern erlauben, die Abfahrt mit dem Trottinett sicher zu meistern. Dazu gehören die Bestimmung der geeigneten Wege, die Sicherung von Gefahrenstellen und die Signalisation, genauso wie die Notfallorganisation (Alarmierungsnummer z.B. mit Kleber auf jedem Trottinett und je nach örtlichen Gegebenheiten ein Rettungskonzept).
Die gesetzlichen Vorschriften - insbesondere Strassenverkehrsgesetz - sind einzuhalten.
Eine Information der Gäste über die Routen und über allfällige besondere Gefahren ist notwendig, genauso wie die Instruktion bei der Übergabe des Trottinetts und der Schutzausrüstung.

Dokumentieren, dokumentieren, dokumentieren
Das Beachten der obigen Punkte dürfte in einem Rechtsfall kaum ausreichend sein, wenn das Unternehmen nicht in der Lage ist, die getroffenen Massnahmen zu dokumentieren. Ein wichtiger Punkt ist zum Beispiel die Individualisierung des Trottinetts: Jedes Fahrzeug muss nummeriert werden, und für jedes nummerierte Trottinett sind die erfolgten Wartungen schriftlich nachzuführen (z.B. Bremsenkontrollen, Ersatz von Teilen, usw.).
Auch sollen die Teile der Schutzausrüstungen, wie beispielsweise Helme, untereinander unterscheidbar sein, damit eine Liste über das Anschaffungsdatum nachgeführt werden kann. Dies kann zum Beispiel mit einer Nummerierung des jeweiligen Helms gewährleistet werden; es gibt aber auch Unternehmen, die bei Neuanschaffung ihre Helme mit der Seriennummer erfassen und so ablegen, was vorbildlich und sehr empfehlenswert ist. Dabei ist besonders auf das Auswechseln der Helme gemäss Angaben des Herstellers zu achten.
Auch ist der Abschluss eines schriftlichen Mietvertrags mit dem Gast, in welchem unter anderem auf die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen und auf den Grundsatz der Eigenverantwortung hingewiesen wird, dringend empfohlen.
Zusätzliche sicherheitsfördernde Massnahmen: Gütesiegel und Ausbildung der Patrouilleure
Das Gütesiegel «Geprüfter Sommerbetrieb» von Seilbahnen Schweiz stellt eine hervorragende Möglichkeit dar, um die Prüfung des Angebots an Sommeraktivitäten auf mögliche Risiken nach den geltenden Sicherheitsanforderungen und die Einhaltung eines hohen Sicherheitsstandards beim Sommerbetrieb zu bescheinigen, was auch bei allfälligen Vorfällen mit juristischen Folgen hilfreich sein kann. Mit dem Gütesiegel lässt sich das Streben nach höchstmöglicher Sicherheit belegen. Die Gütesiegelprüfung umfasst alle Aktivitäten, das Trottinett ist nur eine davon.
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Die Einhaltung der Sicherheit und das Management der Risiken setzen ein solides Grundwissen voraus, das auf verschiedene Art und Weise erworben werden kann. Eine sehr gute Möglichkeit ist die Teilnahme am Zentralkurs A-Sommer, in welchem Sommerpatrouilleure ausgebildet werden, die dann in der Lage sein werden, in ihren Betrieben Erste-Hilfe Massnahmen bei Unfällen durchzuführen. Nach dem Besuch des Kurses und dem Absolvieren der entsprechenden Prüfungen kennen die frischgebackenen Patrouilleure die organisatorischen Abläufe sowie die massgebenden Bestimmungen samt Gesetzgebung und Hilfsmittel.
Zu guter Letzt
Es ist dringend zu empfehlen, sich mit der Verkehrssicherungspflicht für Sommeraktivitäten, die im Jahre 2021 publiziert wurde, proaktiv und vorbeugend auseinanderzusetzen.
Das Erhalten des Gütesiegels «Geprüfter Sommerbetrieb» und die Ausbildung der Mitarbeiter sind zwei gute Möglichkeiten, um dem Gast die grösstmögliche Sicherheit zu bieten und um Unfälle zu vermeiden.
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